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Der Tempel der Fledermäuse – Pura Goah Lawah auf Bali

Ein beißender Geruch wabert den Besuchern entgegen, die sich auf Bali dem Tempel der Fledermäuse Pura Goah Lawah nähern. Die Exkremente der nachtaktiven fliegenden Säugetiere haben sich in dieser Höhle über einen sehr langen Zeitraum am Boden und an den Wänden abgelagert. Abertausende der flatternden Lebewesen bevölkern den Tempel, unweit von Kusamba und Candi Dasa, und freiwillig würde wohl kaum ein Tourist auf die Idee kommen, die Höhle zu betreten. Ganz davon abgesehen, dass dies an dieser heiligen Stätte der Balinesen allein den Brahmanen gestattet ist. Es gab sie wohl schon im 11. Jahrhundert, und die Höhle der Fledermäuse war über einen langen Zeitraum eine animistische Kultstätte. Heute dient sie den hinduistischen Ritualien und Zeremonien der Balinesen.

Der Kampf zwischen Gut und Böse

Um die Balinesen und deren tief verwurzelte Religiosität zu verstehen, sollte man sich mit den Grundprinzipien ihrer Lebensphilosophie auseinandersetzen. Deren Pfeiler beruht auf fünf Säulen: Dem Glauben an den Schöpfer und ewigen Gott, dem Glauben an Atman und die ewig lebende Seele, dem Glauben an die Gesetzmäßigkeit des Kharma, dem Glauben an die Wiedergeburt und schließlich an dem Glauben der Wiedervereinigung mit dem „ewigen Geist“. Die Balinesen leben im Bewusstsein eines Lebens im stetigen Kampf zwischen Gut und Böse – symbolisiert von Dämonen und Geistern. Um die zu besänftigen und zwischen den Extremen eine Harmonie herzustellen, bringen die Menschen dieser ungewöhnlichen Insel tagtäglich Opfer in Form von Gaben dar. Und das ist in ihrem Heiligtum, dem Tempel der Fledermäuse von Pura Goah Lawah, nicht anders.

Die Zeremonien der Brahmanen

Auch von außerhalb der Höhle sind die Fledermäuse von Pura Goah Lawah auszumachen. Sie hängen sehr dicht tagsüber an der recht niedrigen Höhlendecke und gehen erst nach Anbruch der Dunkelheit auf Beutejagd. Manche scheinen zu schlafen, andere flattern und piepsen in hohen Tönen. Von den oft zahlreichen Besuchern lassen sie sich ebenso wenig stören, wie von den häufigen Zeremonien der Brahmanen. In diesem Tempel der Balinesen spielt der Tod eine wichtige Rolle. Nach dem Ableben eines Menschen werden die sterblichen Überreste in aller Regel zunächst begraben und später dem Feuer übergeben. Die Asche der Verstorbenen wird in der Nähe von Pura Goa Lawah im Meer verstreut.

Pura Goah Lawah auf Bali

Pura Goah Lawah auf Bali ©iStockphoto/Zybilo

Zeremonie für die Seele der Ahnen

Der Tempel der Fledermäuse ist häufig Ausgangspunkt einer Zeremonie, die sich den Seelen der Ahnen widmen. Die Prozession führt zum Strand, wo eine Menschenkette gebildet wird, um die Seele eines Verstorbenen aus dem Meer zurückzurufen. Die Teilnehmer dieses Rituals verstehen dies auch als einen individuellen Reinigungsprozess. Danach kehren sie alle wieder zurück zur Höhle, fast immer in Begleitung eines traditionellen Gamelan-Orchesters, um im Angesicht der Fledermäuse zu beten. Geopfert werden diverse Nahrungsmittel, Früchte oder Süßigkeiten, die letztlich den Bedürftigen unter ihren balinesischen Mitbürgern zugute kommen.

Das Tor eines riesigen Höhlensystems

Pura Goa Lawah zählt zu den wichtigsten Heiligtümern Balis und hat den Rang der sogenannten Sad Kahyangan. Gemeint sind damit die Opferstätten Besakih am Fuße des Vulkans Gunung Agung, Pura Ulun Danu Batur und Pura Luhur Uluwatu. Erforscht hat die Höhle der Fledermäuse bisher niemand, doch man geht davon aus, dass dies der Eingang zu einem riesigen System von Tunneln und Höhlen ist, der sich bis zumaaa zwanzig Kilometer entfernten Pura Besakih zieht. Dieser gilt als Muttertempel der Balinesen, und die meisten Balinesen sind davon überzeugt, dass hier eine unterirdische Verbindung hergestellt wird zwischen der Ober- und der Unterwelt. Für sie ist der Gunung Agung, der häufig Asche und Rauch spuckt und einen Teil der Insel 1963 verwüstete, der Berg der Ahnen und der Wohnsitz der Götter.

Mythen und Legenden einer Höhle

Und wenn der mystische Berg Gunung Agung für die Balinesen das Gute symbolisiert, so ist das Meer bei der Fledermäushöhle Pura Goa Lawah die Heimstatt des Bösen. Für die Menschen dieser Insel ist das Meer die Heimat der Dämonen. Die Geschichte der Höhle und ihrer symbolischen Bedeutung für die Menschen auf Bali reicht zurück bis ins Jahr 1007. Einer Legende zufolge war es kein Geringerer als der Hindu-Priester Empu Kuturan, der als Berater des Königs Airlangga den Fledermaustempel in den Rang eines Heiligtums erhob. Bis zum 17. Jahrhundert soll dieser Ort genutzt worden sein, um dem jeweiligen König von Klungklung die Ehre zu erweisen. Aus dieser Zeit ist überliefert, dass es einen Streit um die Nachfolge eines Regenten gegeben haben soll. Ein Jüngling namens Gusti Ketut Agung wollte der Legende zufolge den Beweis antreten, von königlicher Abstammung zu sein. Deshalb betrat er die Fledermaushöhle. Als er sie nach einiger Zeit lebend verließ, huldigten ihn die Balinesen als neuen Regenten.

Der Widerstand gegen die Invasoren

Allerdings, so ist in alten balinesischen Schriften zu lesen, hat besagter Gusti Ketut Agung nach seinem Aufenthalt in der Fledermaushöhle von Pura Goa Lawah einen Schaden davongetragen – er war taub… Der Tempel ist im übrigen dem Gott Maheswara geweiht und wurde im Jahr 1904 zu einem historischen Ort. In der Höhle sollen sich einige Adlige aus der balinesischen Gesellschaft zu einem Geheimtreffen verabredet haben, um die Strategie ihres Aufstandes gegen die holländischen Invasoren ihrer Insel zu diskutieren. Und da sie schließlich Erfolg hatten, wurde Pura Goa Lawah auch noch den Rang eines Symbols für den balinesischen Kampf um die Freiheit erhoben.

Tagtäglich Opfer für zwei Schlangen

Und da man sich auf Bali seit Generationen in den Familien Mythen und Märchen erzählt, gibt es eine weitere Legende, die sich mit der Höhle der Fledermäuse befasst. Es sollen dort zwei heilige Schlangen ihre Heimstatt haben. Die Antaboga, die die Menschen dieser Insel als „Weltenschlange“ verehren und die Sanghyang Basuki, die sie als „Herr der Schlangen“ bezeichnen. Beide spielen in der Mythologie der Balinesen eine wichtige Rolle, und da man es sich mit keiner dieser für sie göttlichen Kreaturen verderben möchte, wird beiden Schlangen tagtäglich ein Opfer gebracht. Angeblich soll es in den Tiefen dieses Höhlensystems tatsächlich reale Schlangen geben – manche sprechen sogar von Pythons – doch gesehen hat sie bisher niemand. Wissenschaftler schließen aber deren Existenz nicht aus, weil sie sich von den dort lebenden Fledermäusen ernähren könnten.

Sarong mit einem Tempelschal

Wer sich in die unmittelbare Nähe des Tempels der Fledermäuse begeben möchte, der sollte als Besucher auf eine angemessene Kleidung achten. Es werden – gegen ein geringes Entgelt – die traditionellen Sarongs mit einem Tempelschal ausgeliehen oder auch verkauft. In der Nähe von Pura Goa Lawah sind Unterkünfte in Villen zu mieten. In Candi Dasa mangelt es zudem nicht an Hotels und guten Restaurants. Nur vier Kilometer südwestlich der Höhle liegt das Fischerdorf Kusamba mit einem schönen Sandstrand, der von zahlreichen Fischerbooten gesäumt ist. Von hier reicht der Blick hinüber zu den balinesischen Nachbarinseln Lombok und Nusa Penida.

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